Dieser Tage überraschte die CDU Suhl mit einem Antrag zum Umbau des Portalgebäudes. Was es mit diesem sogenannten Sachantrag auf sich hat - damit setzte sich unser Freie-Wähler-Stadtrat Dr. Wolfgang Wurschi in seiner Rede im Suhler Stadtrat am 20. April auseinander. Das Ergebnis der Abstimmung möchten wir nicht unerwähnt lassen: Der Antrag der CDU wurde aus sachlichen Gründen mit großer Mehrheit abgelehnt. Das bedeutet nicht, dass Freie Wähler, SPD und Linke nicht auch für einen Erinnerungsort eintreten, der die Machenschaften der Stasi nicht vergessen lässt. Aber dieser Ort muss authentisch sein. Das könnte die ehemalige "Burg" in der Hölderlinstraße sein oder das ehemalige Stasi-Gefängnis. Doch dazu bedarf es eines gemeinsamen Konzeptes mit der Gauckbehörde und dem Bund. Lesen Sie bitte die Argumente von Dr. Wolfgang Wurschi...
Werter Herr Oberbürgermeister, werte Stadträte und besonders werte CDU-Fraktion,
Herzlichen Glückwunsch zu ihrem Antrag. Sie sind in der Zeitung und mit was für einer Story: Die Errichtung einer Gedenkstätte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen im Portalgebäude!
Dabei muss ich Ihnen erst einmal Respekt zollen. Nach Jahren der Blockade des Umbaues des Portalgebäudes zum Haus der Geschichte und stetem Verneinen bei der Suche nach einer gemeinsamen Lösung legen Sie jetzt diesen Sachantrag vor. Das finde ich gut, weil wir endlich miteinander in das Gespräch kommen können.
Was ich nicht gut finde ist, dass sie bewusst Äpfel mit Birnen vermanschen und auch noch davon ausgehen, dass daraus ein guter Grappa wird.
Zu den Birnen: In Ihrem Antrag positionieren Sie sich eindeutig, dass die Außenstellen des Bundesarchivs, die in Thüringen die Stasiakten auch weiterhin beherbergen, nach Suhl kommen sollen.An diesem Ziel sollten wir auch gemeinsam weiterarbeiten. Da würde ein Stadtratsbeschluss sicherlich den Brief des Oberbürgermeisters an den Bundesbeauftragten Roland Jahn noch einmal zusätzlich in der politischen Wahrnehmung und Diskussion stärken. Und warum nicht dem Gedanken nachgehen, ob diese Außenstelle im Portalgebäude untergebracht werden kann? Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie die gut 12 km Akten, die in den Thüringer Archiven liegen, dort archivgerecht untergebracht werden können, aber da werden Sie sicher schon einen Vorschlag haben. (Sie sind ja bekannt dafür, mit sinnhaften Vorschlägen die Diskussion zu bereichern!) Auch wenn das Problem der Akten gelöst werden könnte und das Bundesarchiv bzw. der Bund würden das Gebäude umbauen und beziehen, dann wäre das Bundesarchiv dort, aber eben keine Gedenkstätte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen. Ein Archiv ist ein Archiv!! Außerdem müssten sämtliche Stadtratsbeschlüsse zum Umbau des Portalgebäudes in ein Haus der Geschichte aufgehoben werden.
Womit wir zu den Äpfeln kommen: "Bürgerarchiv, Erinnerungsort, Widerstand und Opposition" - da haben sie voll in die Kiste der Erinnerungspolitik gegriffen. Wichtige Themen fürwahr. Aber wir können schwerlich als Stadt eine Gedenkstätte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen aufbauen, zumal es genau eine solche in Erfurt mit dem Objekt Andreasstraße bereits gibt und die Stadt Suhl auch dort mit vertreten ist. Ich hätte sie realpolitischer eingeschätzt, als dass sie so einen Vorschlag machen. Übrigens, hätten Sie an der Tagung im März zum Erinnern in Suhl teilgenommen, wäre auch ihr Sachantrag qualitätsvoller ausgefallen.
Worum es beim Portalgebäude geht ist: Das, was wir an Erinnerung an unsere Stadt haben, an einem Ort zusammenzutragen und die Möglichkeit zu geben, sich damit auseinanderzusetzen. Dazu gehört eben das Stadtarchiv - und das ist nun mal eine kommunale Aufgabe, aber auch weitere museale Einrichtungen, dazu gehört auch die Waffenproduktion in Suhl mit ihrer zwiespältigen Geschichte, dazu gehört die sozialistische Vorzeigestadt zu DDR-Zeiten, dazu gehört die friedliche Revolution mit der Auflösung der Staatssicherheit, ja, dazu gehört auch das Japan-Restaurant und das Rennsteiglied u.v.a.m. An so einem Ort könnte museologisch und pädagogisch gearbeitet werden, wie sie es so schön vorschlagen. In einem Archiv wird vorwiegend archivpädagogisch und wissenschaftlich gearbeitet, also mit der Akte, in diesem Fall mit der Stasi-Akte - was wiederum für eine Gedenkstätte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur etwas dünn wäre.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Das Bundesarchiv wird sich nicht um die Aufarbeitung der Suhler Geschichte kümmern, das müssen wir Suhler schon selber machen. Gerne und sinnvollerweise mit dem Bundesarchiv zusammen. Und um das zu überlegen und konzeptionell zu begleiten war auf der besagten Tagung - bei der sie ja nicht waren - die Idee entstanden, eine Arbeitsgruppe mit der Stiftung Ettersberg, dem Thüringer Landesbeauftragten, informell dem Bundesbeauftragten und der Stadt Suhl zu begründen, um ein Konzept zu erarbeiten, wie Suhl mit seinem historischen Erbe, das es unbestritten hat, besser touristisch und marketingtechnisch umgehen kann. Ich freue mich, dass Herr Hauptmann und Frau Leukefeld ganz offensichtlich bei derartigen konzeptionalen Überlegungen eingebunden sein wollen und ihre Mithilfe bereits annonciert haben. Zum Schluss auch noch zum Grappa: Eine Gedenkstätte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen zum Nulltarif kann es nicht geben. Aber genau das fordern Sie. Sie stellen einen SACHANTRAG, aber vor der SACHE verschließen sie die Augen. Wenn Sie für einen Gedenkort in Suhl plädieren, dann müssen wir schon selber tätig werden und nicht darauf hoffen, dass der Bund uns diesen hier hin stellt. Was wir als Stadträte leisten können, ist ein Bekenntnis dazu, das Bundesarchiv in Suhl haben zu wollen. Der Standort dieses Archives sollte dabei ein authentischer Ort sein, z.B. die ehemalige Bezirksverwaltung der Stasi oder das Untersuchungsgefängnis. Herr Hauptmann war ja schon bei dem Bundesbeauftragten Herrn Jahn. Vielleicht hat es ja außer dem Foto auch schon was gebracht. Und wir müssen uns konzeptionell Gedanken machen, wie wir die Suhler Geschichte mit all ihren Facetten zum identitätsstiftenden Kern unserer Stadt machen. Und dazu gehört quasi als Suhler Eigenleistung unbedingt das Haus der Geschichte im Portalgebäude. Darüber sollten wir fraktionsübergreifend in den Austausch kommen. Ich wiederhole mich: Ich freue mich, dass die CDU Fraktion nun endlich diesen kommunikativen Weg beschreiten will.
In dieser Hinsicht hat dieser Sachantrag auch sein Gutes, auch wenn wir als Fraktion den heutigen Antrag mit seinen unsachlichen Forderungen ablehnen. Wir sind aber bereit, an einem gemeinsamen Antrag mitzuarbeiten, der die Erarbeitung eines Konzeptes zur Etablierung des Stasiunterlagenarchives in Suhl ermöglicht, eingebettet in ein Konzept, das Archiven, Museen, Erinnerungs-, Gedenk- und Lernorte sowie Tourismus und Marketing sinnvoll vereint.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Wolfgang Wurschi, Fraktionsmitglied Freie Wähler Suhl